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Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: laufende Darlehensverträge ohne Vorfälligkeitsentschädigung “kündigen”

20.01.2015 (Update 05.10.2021): Sie haben Ihre Baufinanzierung nach 2010 abgeschlossen und möchten die Darlehensverträge am liebsten kündigen und zu den aktuellen Konditionen umschulden? Das ist unter normalen Umständen nicht möglich (kein Kündigungsgrund) und wenn doch verhältnismäßig teuer (Vorfälligkeitsentschädigung). Aber es gibt eine Möglichkeit, bestehende Baudarlehen ganz ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu kündigen bzw. los zu werden: die Zauberworte heißen “fehlerhafte Widerrufsbelehrung”. Und da sorgt jetzt ein aktuelles Urteil der Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für neuen Zündstoff.

Ist die Widerrufsbelehrung bei einem Darlehensvertrag fehlerhaft und entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben, gilt das Widerrufsrecht nicht nur für die allseits bekannten 14 Tage, sondern auf unbestimmte Zeit (“ewiger Widerruf”). Das bedeutet, dass Sie als Darlehensnehmer den Vertrag jederzeit widerrufen können und der jeweilige Darlehensgeber den Kreditbetrag zurückzahlen können (müssen). Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt in diesen Fällen nicht an. Die häufigsten Formfehler sind beispielsweise eine fehlende optische Hervorhebung der Widerrufsbelehrung, eine fehlende Postanschrift für den Widerruf. oder ein ungenaues Datum für den Beginn der Widerrufsfrist. Den Verbrauchern kommt zu Gute, dass die Vorgaben bzgl. der Widerrufsklausel in den letzten Jahren mehrfach geändert und angepasst wurden. Viele Banken und Sparkassen haben diese Änderung nur zeitverzögert übernommen, so dass allein aus diesem Grund schon viele Widerrufsklauseln fehlerhaft sind. Die Verbraucherzentrale Hamburg schätzt, dass dies bei ca. einem Drittel aller Darlehensverträge der Fall ist.

Der EuGH hat jetzt in seinem Urteil einen grundsätzlichen Fehler in den Widerrufsbelehrungen moniert. Das sind sog, "Kaskadenhinweise" auf Gesetze und Verordnungen. Das bedeutet, dass in der Widerrufsbelehrung z.B. auf einen Paragrafen im BGB hingewiesen wird. Und in dem Paragrafen wir d dann wieder auf einen anderen Paragrafen o.ä. verwiesen. Derartige Kaskadenverweise sind gem. EuGH für Verbraucher völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar - und deshalb seien solche Widerrufsbelehrungen unwirksam. Schauen Sie mal in Ihrer Widerrufsbelehrung, ob man sich dort beispielsweise auf § 492 BGB bezieht.

Ob Sie aus Ihrem laufenden Kreditvertrag wegen eines solchen Formfehlers aussteigen können, ist eine vergleichsweise komplizierte Angelegenheit. Man kann nicht sagen, dass diese Widerrufsklauseln von Bank X oder Y grundsätzlich fehlerhaft sind, es kommt auf den Einzelfall an (beispielsweise auch den Zeitpunkt des Vertragsschlusses). Daher ist es unbedingt notwendig, die Darlehensverträge von Fachleuten prüfen zu lassen, die über die notwendigen Hintergrundinformationen verfügen, zumal die meisten betroffenen Banken einen solchen Widerruf sicher nicht mit Jubelgesang ohne weiteres akzeptieren werden. Wir empfehlen hierfür die Verbraucherzentrale Hamburg, die sich auf das Thema “fehlerhafte Vorfälligkeitsentschädigung” spezialisiert hat. Allerdings wird es auch nach einer Prüfung durch die VZ nicht ohne Fachanwalt weitergehen.

Der Widerruf sollte übrigens nur erfolgen, wenn Sie entweder über das notwendige Eigenkapital verfügen, um die Darlehen aus eigener Tasche zurückzuzahlen oder Sie die verbindliche schriftliche Finanzierungszusage einer anderen Bank zur Umschuldung vorliegen haben. Ist der Widerruf erfolgreich, wird die Bank das ausstehende Darlehen bzw. die Restschuld umgehend einfordern.

Wichtig!

Der EUGH hat am 09.09.2021 ein weiteres grundlegendes Urteil zum Thema "Widerruf" gefällt. In der Folge sind wahrscheinlich alle bisherigen Kreditverträge widerrufbar. Diese Entscheidung gilt allerdings nur für Verbraucherkreditverträge und nicht für Immobiliardarlehen!

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