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Was bedeutet ein Gaslieferstopp für Immobilienbesitzer

17.06.2022 Russland hat die Gaslieferungen für Nordstream 1 deutlich gedrosselt. Grund hierfür soll ein defektes Bauteil eines sog. Verdichters sein. Ob dem tatsächlich so ist oder dieser technische Defekt nur vorgeschoben ist, bleibt Spekulation. Fakt ist, dass inzwischen auch ein vollständiger Lieferstopp russischen Gases über Nordstream 1 denkbar ist. Welche Folgen hätten so ein Lieferstopp für Immobilienbesitzer in Deutschland, insbesondere auch für Vermieter? Dem gehen wir in diesem Beitrag auf den Grund.

100 Mio Kubikmeter Erdgas strömen derzeit täglich durch die Leitung "Nordstream 1" von Russland nach Deutschland. Das sind rund 60% der sonst üblichen Menge von rund 167 Mio Kubikmeter. Dass die Liefermenge im Sommer zurückgeht, auch weil dann regelmäßig Wartungs- und Reperaturarbeiten anstehen, ist völlig normal. In diesem Umfang ist es allerdings schon ungewöhnlich.

Nehmen wir einfach mal an, dass Russland dieser Erdgaslieferungen komplett einstellt. Was würde dann passieren?

Die Gasvorräte in den Vorratsspeichern betragen derzeit ca. 50% der Höchstmenge. Diese Speichermenge allein würde ausreichen, um den Bedarf für ca. 80 Tage zu decken (in den Sommermonaten etwas mehr, in den Wintermonaten etwas weniger). Dabei muss man aber bedenken, dass wir unser Erdgas nicht zu 100% aus Russland beziehen, sondern "nur" zu Hälfte. Die andere Hälfte beziehen wir aus den Niederlanden und Norwegen. Dieses Erdgas würde weiter geliefert werden. Insoweit dürfte es erst zu Einschränkungen kommen, wenn die Lieferungen aus Russland deutlich länger als die 80 Tage komplett ausbleiben.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt greift ein sog. Notfallplan, der regelt, wer wieviel Gas bekommt. Dieser Notfallplan sieht u.a. vor, dass private Haushalte bevorzugt werden. Ob dieser Notfallplan in einem echten Notfall tatsächlich eingehalten werden kann, dürfte sich erst im Fall der Fälle zeigen.

Richtig unangenehm wird es, wenn private Haushalte - Notfallplan hin oder her- nicht mehr mit genügend Erdgas versorgt werden können. In dem Fall wird es nicht nur schwierig, ein Haus oder eine Wohnung zu heizen. Bei einer zentralen Wärmeversorgung dürfte es auch mit dem warmen Wasser schwierig werden. Glück hat noch, wer im eigenen Haus über einen Kamin bzw. "Bollerofen" verfügt, aber vor allem für Eigentümer und/oder Mieter von Wohnungen dürfte es ziemlich unangenehm werden. Diesen bliebe, elektrische Heizstrahler aufzustellen und das Wasser auf dem Herd zu erhitzen (dumm, wenn das ein Gas-Herd ist). Das ist nicht nur lästig bzw. unzureichend, sondern dürfte auch ziemlich ins Geld gehen.

Für Vermieter kann sich das Ganze zu einem Horrorszenario entwickeln. Der Grund: Vermieter sind verpflichtet, für eine gewisse Grundwärme zu sorgen. In der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. April sind das tagsüber mindestens 20-22 Grad (Nachts 18 Grad). Fällt die gasbetriebene Heizung aus, bliebe Vermietern nur die Option, die Wohnungen mit entsprechenden elekrischen Heizstrahlern auszustatten. Das versacht natürlich Kosten für den Kauf bwz. die Miete. Hinzukommen noch die laufenden Stromkosten, die dann wahrscheinlich durch die Decke gehen.

Das Problem mit der Warmwasserversorgung wäre mit Heizstrahlern allerdings nicht gelöst (sofern diese ebenfalls mit Erdgas betrieben wird). Vermieter sind verpflichtet, für eine "optionale" Wassertemperatur von 40-50 Grad zu sorgen. Glück haben dann die Eigentümer bzw. Mieter, bei denen die Warmwasserversorgung über die sonst so häufig geschmähten Durchlauferhitzer erfolgt.

Können Vermieter die Heizungs- und Warmwasserprobleme nicht lösen, können Mieter die Miete mindern. Gemäß Info des Mieterbund kommte eine Mietminderung von 20% in Frage, wenn die Zimmertemperatur tagsüber trotz voll aufgedrehter Heizung unter 18 Grad liegt. Bei einem Totalausfall der Heizung wäre sogar eine Mietminderung von 100% möglich. Wer glaubt, sich mit einer entsprechenden Klausel im Mietvertrag aus der Affäre ziehen zu können, irrt. Klauseln, wonach auch tagsüber eine Temperatur von 18 Grad (oder sogar weniger) ausreichen soll, sind unwirksam.

Mieter können  bei anhaltenden Probleme natürlich auch den Mietvertrag kündigen. Die Neuvermietung dürfte dann schwierig werden (zumindest so lange die Probleme bei Heizung  und Warmwasser weiter bestehen).

Vermieter sollten auch damit rechnen, dass Sie sich künftig verstärkt an den Nebenkosten Ihrer Mieter beteiligen müssen. Ab 2023 wird die sog. Co2-Steuer zwischen Mieter und Vermieter aufgeteilt. Für Eigentümer von "Energiefressern" wird es darauf hinauslaufen, dass sie bis zu 90% dieser Co2-Steuer zu tragen haben. Dabei geht es nicht um wirklich große Beträge (bei einer 50qm Wohnung sprechen wir über ca. 40 Euro Co2-Steuer jährlich), aber es ist ein Anfang, um den Modernisierungsdruck auf Vermieter zu erhöhen. Angesichts der Knappheit beim Erdgas, den explodierenden Preisen und den Klimaschutzmaßnahmen, dürfte da noch mehr kommen. So ist derzeit u.a. angedacht, aufgrund der hohen Inflation die Mieterhöhungen bei sog. Index-Mietverträgen auszusetzen.

Wer bei seiner Immobilie egal, ob eigengenutzt oder vermietet- bei Heizung und Warmwasseraufbereitung auf den Energieträger Gas setzt, sollte "sich ´nen Kopp machen" und einen Notfallplan erstellen. Im Zweifelsfall ergeht es Ihnen wie kürzlich einem unserer Kollegen, dessen Wärmepumpe über längere Zeit defekt war. Der konnte sein Haus zwar noch einigermaßen mit dem Bollerofen heizen, allerdings musste die Familie zum Duschen in den örtlichen Sportverein. Wenn der aber sein Vereinsheim mit Umkleide und Duschen mit Gas heizt, nützt einem das bei einem Gaslieferengpaß wenig (insbesondere, wenn Sportvereine oder öffentliche Bäder nicht auf der Prioritätenliste für die Notversorgung stehen).

Wer die Warmwasserversorgung in einem Einfamilienhaus o.ä. sicherstellen will, kann sich natürlich eine Solaranlage (nicht Fotovoltaik!) auf das Dach bauen lassen. Die Kosten hierfür liegen irgendwo zwischen 5.000 bis 10.000 Euro (wenn man denn aktuell einen Betrieb findet, der diese liefern und installieren kann). Aber Vorsicht: die Warmwasseraufbereitung funktioniert da - anders als bei einer Fotovoltaikanlage- tatsächlich nur bei Sonnenschein. Daher werden die Anlagen i.d.R. auch mit der normalen Heizung gekoppelt, um auch ohne Sonne Warmwasser liefern zu können.

Eine weitere Möglichkeit für die Warmwasserversorgung ist ein Warmwasserspeicher mit elektrischem Heizstab. Letzterer wird gerne mit einer Fotovoltaikanlage gekoppelt, funktioniert aber natürlich mit "Landstrom" aus der Dose. Ob der Einbau eines solchen Warmwasserspeichers möglich bzw. sinnvoll ist, sollte man mit "Leuten vom Fach" besprechen. Am sinnvolsten sind solche Warmwasserspeicher tatsächlich wohl in Verbindung mit einer Fotovoltaikanlage.

Ich selbst schaue mit die aktuellen Diskussionen eher aus der Ferne an. Seit ca. 4 Jahren heize ich mein Haus (inkl. Warmwasseraufbereitung) über ein Nahwärmenetz. Dieses nutzt die Abwärme einer Biogasanlage bei mir im Ort. Betrieben wird das Ganze von einer Energiegenossenschaft, in der alle Nutzer Mitglied sind. Wer wie ich auf dem Dorf lebt und eine Biogasanlage in der Nähe hat, sollte darüber nachdenken, es uns gleich zu tun.

Ihr

Olaf Varlemann

Geschäftsführer Baufi-Nord GmbH