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Eigenheim: Umdenken ist erforderlich!

05.05.2022  Viele "Normalverdiener" haben angesichts stark steigender Baukosten und Zinsen für Immobilienfinanzierungen das Projekt "Hausbau" aufgegeben. Der Traum vom Eigenheim?! Geplatzt und ausgeträumt! Und angesichts der geplanten Maßnahmen für noch energieeffizienteres bzw. nachhaltigeres Bauen und wahrscheinlich weiter steigender Zinsen, wird sich die Situation sicher nicht entspannen. Aber muss man jetzt tatsächlich auf Wohneigentum verzichten und ein Leben lang Mieter bleiben? Oder sollte man stattdessen beim Thema Wohneigentum an sich umdenken?

Hausbau nicht mehr zeitgemäß klein

An den gestiegenen bzw. steigenden Baukosten und Zinsen kann niemand von uns etwas ändern. Die Situation ist nun einmal so wie sie ist. Was aber jeder, der selbstgenutztes Wohneigentum erwerben oder bauen will, ändern kann, ist die persönliche Einstellung. Und das gilt ganz besonders für das eigene Anspruchsdenken.

Wohneigentum: es wurde vielen zu lange zu einfach gemacht!?

Wir haben uns in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, dass eigentlich jeder mit einem halbwegs gesichertem Einkommen Wohneigentum erwerben kann. Dank niedriger Zinsen waren sogar sog. Vollfinanzierungen ohne einen Cent Eigenkapital bezahlbar. Es war also gar nicht unbedingt notwendig, Eigenkapital anzusparen. Jederzeit und ohne Vorleistung eine Immobilie kaufen und finanzieren zu können, wurde selbstverständlich. Die eigene Immobilie war nicht mehr "das große Ziel", auf das man hinarbeiten oder gar an anderer Stelle Verzicht üben musste, sondern etwas, dass auch ohne besonderen Plan oder große Anstrengung jederzeit verfügbar und selbstverständlich war.

Die Ansprüche sind gewachsen!

Ich habe Anfang der 2000er u.a. für ein in Norddeutschland sehr bekanntes Bauunternehmen gearbeitet und dort die Finanzierungen für sehr viele Bauherren abgewickelt. Damals waren wir bei Zinssätzen von ca. 6%. Die meisten Bauherren entschieden sich damals für Häuser mit einer Wohnfläche von bis zu ca. 120 qm. Wer es richtig aufwendig haben wollte und es sich leisten konnte, kaufte das "Maxime-XL" mit einer Wohnfläche von rund 140 qm. Das war dann aber schon die Oberklasse unter den Häusern. Wer sparen musste bzw. wollte, baute das Typenhaus "Classico" mit knapp über 100 qm Wohnfläche. Und man sollte es nicht glauben: auch das 100qm-Haus war für eine Familie mit 2 Kindern konzipiert.

Dank der niedrigen Zinsen sind seit dem aber die Ansprüche stetig gestiegen. Heute sind schon die 140qm Wohnfläche Standard (gerne auch mehr). Und es sollte dann bitte auch das "Kapitänshaus" oder die "Villa Toskana" werden. Wenn schon, denn schon!

Übrigens: auch damals haben die Menschen schon rund 40% Ihres Nettoeinkommens (in Großstädten auch bis zu 50%) für die Darlehensraten ausgeben müssen. Das sollten sich insbesondere all die ins Gedächtnis zurückrufen, die huete jammern, dass man ja mittlerweile mehr als 30% des Einkommens für Darlehensraten ausgeben muss.

Wenn Kosten und Zinsen steigen, müssen Ansprüche sinken!

Es mag nicht allen gefallen, aber wer sich die aktuellen Grundstückspreise, Baukosten und Finanzierungskonditionen nicht leisten kann oder will, muss zunächst erst einmal seine eigenen Ansprüche herunterschrauben. Das tut nicht nur dem eigenen Geldbeutel gut, sondern schont auch Ressourcen.

Wer sich den Traum von der eigenen selbstbewohnten Immobilie erfüllen will, sollte sich fragen, wie groß Haus und Grundstück tatsächlich sein müssen, um dort glücklich zu werden. Beides, die Grundstücks- als auch die Wohn-/Nutzfläche des Gebäudes entscheiden maßgeblich über den Preis der eigenen 4 Wände. Das gilt nicht nur die sog. Gestehungskosten, sondern auch für die Finanzierung und - auch das sollte man nicht vergessen- für die laufenden Betriebskosten und die Instandhaltung des Hauses.

Was viele Bauherren gerne vergessen, ist die Tatsache, dass auch eine schuldenfreie Immobilie zur Kostenfalle und damit unbezahlbar werden kann. Spätestens bei Rentenbeginn können die laufenden Betriebskosten von einem großen Haus schnell zur deutlich spürbaren Belastung werden (selbst wenn man dann nur noch zu zweit in der "riesen Hütte" wohnt und nur noch einmal die Woche duscht).

Bei vernünftiger Raumaufteilung reicht auch das 100 bis 120qm-Haus für eine 4 oder 5-köpfige Familie aus. Es gibt ganze Generationen von Menschen in Deutschland, die in deutlich kleineren Häusern aufgewachsen sind. Und machen 800 qm Zierrasen um das Haus herum wirklich glücklich?

Und warum muss es eigentlich das freistehende Einfamilienhaus sein? Das ist letztlich ein echter Kostentreiber und Ressourcenfresser. Bequem Wohnen und im Sommer auf der Terrasse sitzen kann man auch im Reihenhaus. Wer vorausschauend und clever ist, nimmt das häufig ungeliebte Mittelreihenhaus, denn besser isoliert (zumindest zu zwei Seiten) geht nicht.

Man muss halt wieder Prioritäten setzen...

In der Niedrigzinsphase und Zeiten vergleichsweise stabiler Baukosten haben wir uns alle daran gewöhnt, dass sich viele das Eigenheim auch ohne besonderen Einsatz leisten konnten. Dank niedriger Zinsen waren sogar Vollfinanzierungen ohne Eigenkapital bezahlbar. Wer einigermaßen gut verdiente, musste nicht erst lange ansparen, um sich ein Haus leisten zu können. Und neben der Finanzierung war ja auch noch genug Luft für 2 Urlaube im Jahr und zwei -vorzugsweise auf Kredit finanzierte- Autos mindestens der gehobenen Mittelklasse. Man wollte ja eben auch leben - vor und nach dem Eigenheim.

Auch hier ist Umdenken angesagt! Wer irgendwann in den eigenen 4 Wänden leben will - und dabei nicht auf das Erbe von Oma o.ä. setzen kann- wird künftig Prioritäten setzen müssen. Das Eigenheim wird wieder zu einem Ziel, auf das man hinarbeiten muss und nichts, was man "mal eben so und zu allem anderen noch mitnehmen kann". Es muss sich dann jeder fragen, wie wichtig einem die eigenen 4 Wände sind. Fahre ich künftig nur noch einmal pro Jahr in den Urlaub? Brauche ich wirklich alle 2-4 Jahre ein neues Auto?

Sicher tue ich jetzt allen Unrecht, die sich schon bisher eingeschränkt haben, um ihr Traumhaus bauen oder kaufen zu können und dabei jeden Cent zwei mal umdrehen mussten. Und für die Menschen tut es mir wirklich leid, dass steigende Kosten und Zinsen ggf. gerade sämtliche Pläne zunichte gemacht haben. Aber viele, die sich jetzt pauschal über die Preise und hohen Zinsen beklagen, sind nicht bereit, ihre Ansprüche herunterzuschrauben. Es ist ja auch viel einfacher, sich beispielsweise über mangelnde staatliche Förderung zu beklagen als sich mal an die eigene Nase zu fassen.

Und ich hätte da noch "einen Schwank aus meiner Kindheit". Als meine Eltern Anfang der 70er ihr erstes Haus gebaut haben, standen sie in jeder freien Minute selbst auf der Baustelle. Meine Mutter hat damals studiert, "nebenbei" in einer Bäckerei gearbeitet und abends Büros geputzt. Mein Vater war die Woche über "auf Montage" bei irgendwelchen Werften in ganz Norddeutschland und kam nur am Wochenende nach Hause (und dann ging es gleich auf die Baustelle). Das Geld war knapp und einen "Baukredit" von einer Bank zu bekommen, war damals alles andere als einfach. Trotzdem waren am Ende auch noch der gebrauchte und bar bezahlte 1600er (VW-Fans wissen Bescheid) sowie 2 Wochen Neckermann-Urlaub in Rumänien drin. Die Einrichtung des Hauses war bescheiden (Einbauküchen im heutigen Gegenwert von 20.000 Euro gab es nicht). Aber: wir hatten alles, um uns zu Hause zu fühlen. Das hat mich geprägt. Und es sollte somit nicht verwunderlich sein, dass ich angesichts des weit verbreiteten Anspruchsdenkens immer wieder mit dem Kopf schüttel, oder?

Wir müssen ja nicht gleich zurück in die 70er, aber ein bisschen mehr Bescheidenheit und Zielstrebigkeit statt die Schuld für das eigene Scheitern bei anderen zu suchen, würden einigen wirklich gut tun!

Immer munter bleiben!

Ihr

Olaf Varlemann

Geschäftsführer der Baufi-Nord GmbH