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Modernisierungspflicht: Immobilieneigentümer werden in die Pflicht genommen!

Im Dezember 2021 hat die Europäische Kommission in einer Pressemitteilung ihre Vorschläge für einen schrittweise Abkehr von fossilen Brennstoffen veröffentlicht. Die darin enthaltene Modernisierungspflicht für Altbauten dürfte in Deutschland so manch einem Immobilieneigentümer schlaflose Nächte bereiten. Entsprechend groß war der Aufschrei entsprechender Interessenverbände. Aber ist dieser Aufschrei tatsächlich gerechtfertigt? Und welche Folgen hat das für Immobilieneigentümer in Deutschland?

Update 26.03.2022

Modernisierungspflicht für Wohngebäude shutterstock 625248332

Foto: Shutterstock

Zunächst einmal die Fakten zu den Vorschlägen für die"Renovierung und Dekarbonisierung von Gebäuden" in der EU:

  • bis spätestens 2050 sollen bzw. müssen alle Gebäude ohne fossile Brennstoffe auskommen ("Dekabonisierung")
  • ab müssen 2030 alle neuen Gebäude emissionsfreie Gebäude sein (öffentliche Gebäude bereits ab 2027)
  • bis 2027 bzw. 2030 müssen die im jeweiligen Mitgliedsland am schlechtesten abschneidenden 15 % des Gebäudebestands so modernisiert werden, dass Nichtwohngebäude (bis 2027) und Wohngebäude (bis 2030) statt der Einstufung G mindestens das Niveau F gemäß dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz erreichen
  • Bis 2025 müssen alle Energieausweise auf einer innerhalb der EU harmonisierten Skala von A bis G beruhen
  • die Energieeffizienzklasse muss u.a. bei Vermietung oder Verkauf in den Inseraten angegeben werden (der Hinweis "Energieausweis wird bei Besichtigung vorgelegt" o.ä., reicht nicht mehr aus)

Ein weiteres wichtiges Faktum:

  • es handelt sich hierbei bislang um Vorschläge der EU-Kommission und nicht um ein bereits beschlossenes "EU-Recht"!

Für welche Gebäude droht eine Modernisierungspflicht?

Aktuell haben wir in Deutschland eine "Energieklassifizierung" in 9 Stufen mit den Buchstaben von A+ bis H. Diese müsste erst einmal auf die künftige Eu-weite einheitliche Skalierung von A bis G (7 Stufen angepasst werden). Das dürfte noch für richtig viel Spaß (Vorsicht Ironie!) sorgen. Aber gehen wir erst einmal von der aktuellen Situation aus. Und gehen wir auch mal davon aus, dass hierzulande insbesondere Gebäude mit der Energieeffizienzklasse G und H betroffen sein werden (ggf. auch Energieeffizienzklasse F).

Ich habe einfach mal in meinem Heimatlandkreis Stormarn (grenzt an Hamburg) nach derartigen Wohngebäuden Ausschau gehalten. Und siehe da: bei den Einfamilienhäusern (inkl. Reihenhäuser und Doppelhaushälften) fallen alle Gebäude durch das Raster, die vor ca. 1980 gebaut wurden (ausgenommen, diese wurden bereits umfangreich saniert). Das gilt auch für solche Häuser, die eigentlich noch ganz o.k. aussehen, die im Innenbereich umfangreich renoviert wurden oder bei denen sogar die Heizung in den vergangenen 20 Jahren ausgetauscht/erneuert wurde. Ich gehe einfach mal davon aus, dass es sich bei Mehrfamilienhäusern ähnlich verhält. Laut Schätzungen u.a. der Wohnungsverbände sollen rund 30% aller Wohngebäude in Deutschland von der Sanierungspflicht betroffen sein.

Wenn Ihre Immobilie also mindestens ca. 40 Jahre alt ist und bislang noch nicht umfangreich modernisiert wurde, sollten Sie sich so langsam darauf einstellen, dass "da was kommt". Wobei Sie das "langsam" nicht zu wörtlich nehmen sollten, denn geplant ist, dass diese Gebäude bis Ende 2030 fertig saniert sein müssen. Ansonsten droht ein Nutzungsverbot!

Welche Modernisierungsmaßnahmen dürften anfallen?

Bei der Modernisierung geht es um Energieeinsparung und den Ersatz für fossile Brennstoffe. Das bedeutet, dass der Energieverbrauch gesenkt und die "Heizquelle" geändert werden muss. Öl- und Gasheizungen müssen beispielsweise gegen Wärmepumpen oder den Anschluß an ein Nah- oder Fernwärmenetz ersetzt werden. Fraglich ist dabei übrigens, ob -künftig- auch eine Holzpellettheizung den Anforderungen genügt.

Der Austausch des Heizsystems ist auf den ersten Blick und abgesehen von den Kosten kein allzu großer Akt. Als mein Haus 2018 an das Nahwärmenetz einer Biogasanlage angeschlossen wurde, war der Austausch der Heizung selbst ein Akt von einem Tag (wenn man mal von den wochenlangen Buddelarbeiten für das Nahwärmenetz an sich absieht). Mich hat der Austausch der Heizung seinerzeit nur rund 5.000 Euro gekostet. Wer derzeit auf das Heizen mit einer Wärmepumpe umstellen will, muss da mit wesentlich höheren Kosten rechnen. Da stehen Kosten von ca. 15.000 bis 30.000 Euro im Raum.

Deutlich komplizierter wird es aber bei den Maßnahmen zu Energieeinsparung. Hier stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang bauliche Maßnahmen überhaupt dafür sorgen können, dass der Energieverbrauch - unabhängig von der Art der Energiequelle- auf das geforderte Maß gesenkt werden kann. Dazu wird es unter Umständen nicht ausreichen, die Fenster gegen 3fach-Verglasung auszutauschen oder den Dachstuhl neu zu dämmen. Und: wer es bis 2030 schafft, die Energieeffizienzklasse seines Hauses auf das dann erforderliche Mindestmaß zu verbessern, steht ggf. noch immer vor der Deadline im Jahr 2050.

Bei vielen Altbauten dürfte sich die energetische Sanierung nicht rechnen bzw. bautechnisch gar nicht möglich sein. In diesem Fall drohen Nutzungsverbot und Abriss. Aber: noch ist überhaupt nicht entschieden, welche Anforderungen Altbauten bis spätestens 2030 erfüllen müssen. Es besteht also noch kein Grund zur Panik, wie sie gerade von einigen Interessenverbänden verbreitet wird.

Ich selbst bin übrigens sehr gespannt, welche Lieferfristen und Wartezeiten wir demnächst beispielsweise für Wärmepumpen haben werden. Man stelle sich vor, dass in 1-3 Jahren (so lange wird die Umsetzung in deutsches Recht ggf. noch brauchen) bis zu ca. 3 Mio Immobilieneigentümer eben eine solche bestellen bzw. den Einbau bei dem Handwerksunternehmen ihres Vertrauens in Auftrag geben.

Förderprogramme für Immobilieneigentümer?

Die Branchenverbände schreien gerade laut nach staatlicher Förderungen für die Modernisierung nach den Vorstellungen der EU-Kommission. Das ist verständlich, denn die Finanzierung der Modernisierungsmaßnahmen dürfte für viele Immobilienbesitzer zum ernsthaften Problem werden. Insbesondere für Rentner und alle, die erst kürzlich eine Altbauimmobilie erworben haben, kann die Modernisierungspflicht unter Umständen im finanziellen Desaster enden. Die einen werden aufgrund des häufig niedrigen Einkommens oder rein aus Altersgründen (Stichwort Wohnimmobilienkreditrichtlinie) Probleme bei der Finanzierung bekommen. Die anderen sind meist schon bei der Finanzierung des Immobilienkaufs an ihr finanzielles Limit gegangen, so dass da kaum noch Luft für eine weitere Finanzierung ist.

Die Krux beim Thema Fördermittel: bislang sollten Fördermittel einen Anreiz bieten, um mehr zu machen als den gesetzlichen Mindeststandard zu erreichen. Dieses Prinzip müsste der Bund über den Haufen werfen. Das dürfte allerdings für Ärger mit Bauherren sorgen, wenn deren Gebäude bei Erreichen der gesetzlichen Mindeststandards nicht gefördert werden.

Neben der direkten Förderung von Modernisierungsmaßnahmen sollte bzw. müsste der Bund auch flankierende Maßnahmen fördern. Das betrifft den gesamten Bereich der erneuerbaren Energien, beispielsweise die Schaffung von Nahwärmenetzen.

Wer erwartet, dass der Bund die gesamten Modernisierungskosten übernimmt bzw. fördert, dürfte sicher enttäuscht werden. Das wäre zum einen schlicht unbezahlbar und zum anderen würde es alle Eigentümer von energieeffizienteren Gebäuden deutlich benachteiligen. Zudem sieht man aktuell in Italien, welche Folgen es hat, wenn "Papa Staat" die Rechnungen für die Gebäudesanierung zahlt.

Fazit

Es ist unbestritten, dass die Pflicht zur energetischen Sanierung von (Wohn-)Gebäuden kommen wird. Insbesondere wird der Gesetzgeber alles daran setzen, dass das Heizen mit fossilen Brennstoffen spätestens 2050 der Vergangenheit angehört. Völlig unklar ist aber noch, welche Gebäude bis 2030 in welchem Umfang saniert werden müssen. Wahrscheinlich wird es vor allem die Eigentümer von Altbauten mit einem Baujahr bis ca. Mitte der 80er Jahre treffen.

Wer Eigentümer einer Immobilie mit der Energieklasse F oder schlechter ist, sollte anfangen, sich über die Modernisierung seiner Immobilie Gedanken zu machen. Dies betrifft vor allem auch die Frage, wie "der ganze Spaß" dann bezahlt werden soll.  Dieser Aspekt ist natürlich auch besonders wichtig für all die, die aktuell auf der Suche nach einer Altbauimmobilie sind. Hier sollten ggf. anfallende Modernisierungskosten und deren Finanzierung schon jetzt berücksichtigt werden. Ansonsten droht vielleicht spätestens 2030 der finanzielle Genickbruch.

Ihr

Olaf Varlemann

Geschäftsführer der Baufi-Nord GmbH