Immobilienfinanzierung jetzt nur noch kurzfristig festschreiben?
Im November 2023 betrug die Inflationsrate in Deutschland nur rund 3,20% und erreichte somit niedrigsten Wert seit Juni 2021. Das beflügelt auch die Fantasie der Immobilienfinanzierer in Richtung Zinssenkungen. Schließlich war die bislang deutlich höhere Inflationsrate der wesentliche Grund für den starken Anstieg der Baufinanzierungszinsen. Macht es aktuell Sinn, auf den Zug aufzuspringen und die Zinsen für eine Immobilienfinanzierung nur kurzfristig festzuschreiben? Immer in der Hoffnung, dass die Zinsen in den kommenden Monaten deutlich nach unten gehen und man sich dann günstigere Zinsen sichern kann? Ist diese Hoffnung tatsächlich berechtigt? Und lohnt es sich, die Zinsen jetzt nur kurz festzuschreiben?
Einige Finanzexperten prophezeihen angesichts der Entwicklung der Inflationsrate eine baldige allgemeine Zinssenkung.
Ich frage mich, woher diese Erkenntnis kommt. Fakt ist, dass die Inflationsrate im November 2023 im Euroraum erstmals seit langem wieder in etwa in dem Bereich liegt, den sich die Europäische Zentralbank (EZB) als Ziel gesetzt hat. Die EZB hatte das Ziel von 2% ausgerufen und im November 2023 sind wir im Euroraum bei 2,4% angekommen. Das ist doch fein! Die Frage ist nur, ob der Trend bei der Inflationsrate von Dauer ist - und was die EZB als "von Dauer" ansieht.
Die Präsidentin der US-Notenbank-Bezirks San Francisco, Mary Daly, hat bereits angekündigt, dass man sich in den USA die weitere Entwicklung der Preisentwicklung in den USA jetzt erst einmal in Ruhe anschauen will und auf gar keinen Fall Zinsen im Vor- und Rückwärtsgang festlegen wird. Sie schließt sogar weitere Zinserhöhungen für die Zukunft nicht kategorisch aus! Das klingt jetzt nicht nach unmittelbar bevorstehender Zinswende?!
Die EZB tut gut daran, es der FED nachzumachen. Schlimmer als es bei den aktuellen Zinssätzen zu lassen wäre eine kurzfristige Zinssenkung und dann eine Rolle rückwärts kurze Zeit später. Insoweit dürfte das Jahr 2024 wahrscheinlich keine Zinssenkung erleben, auch wenn beispielsweis die Deutsche Bank mit ersten Zinssenkungen ab Jui 2024 rechnet. Und dort weiß man heute auch schon, dass die EZB die Zinsen von heute 4,0% auf 3,0% senken wird. Aha!
Wenn Ulrich Stephan, der Chefanlagestratege der Deutschen Bank, das so genau weiß, frage ich mich, warum er noch arbeiten muss. Bei dem prophetischen Wissen sollte er doch längst ausgesorgt haben!?
Zum Jahresende erleben wir gerade einen verhältnismäßig deutlichen Rückgang bei den Baufinanzierungszinsen. Damit folgen die Zinsen der Entwicklung der sog. Umlaufrendite, also der durchschnittlichen Rendite aller derzeit am Markt befindlichen festverzinslichen Wertpapiere (um es mal einfach zu formulieren). Ob dieser Trend anhält oder sogar eine allgemeine Trendwende in Haus steht, kann niemand mit Sicherheit sagen. Sollten im kommenden Jahr insbesondere die Energiepreise deutlich steigen, hat sich das mit der Inflationsrate "um und bei" 2% auch ganz schnell wieder erledigt.
Wer aktuell eine Immobilienfinanzierung benötigt, kann natürlch die Zinsen auch nur 5 Jahre festschreiben und abwarten. Sollten die Zinsen in 1-2 Jahren tatsächlich deutlich -also mindestens um 1%- sinken, kann man entweder die kompletten 5 Jahre abwarten oder sich zwischnzeitlich die Anschlussfinanzierung mittels Forwarddarlehen sichern. Steigen die Zinsen kann man sich ebenfalls mit einem Forwarddarlehen die dann aktuellen Zinsen sichern (dann würde an Stand heute allerdings draufzahlen). Ob man mit dieser Tatktik am Ende gegenüber einer heute langfristigen Zinsfestschreibung tatsächlich Zinsen sparen kann, werden wir in spätestens 5 Jahren sehen.
Ihr
Olaf Varlemann
Praktisches Beispiel 1: 10 Jahre Zinsbindung ./. 5 Jahre Zinsbindung
Hinweis: wenn man Finanzierungsvarianten hinsichtlich der Kosten vergleicht, sollte man beispielsweise mit einer identischen Ratenbelastung rechnen. Ansonsten vergleicht man Äpfel mit Birnen!
Darlehensbedarf 400.000 Euro
Zinsbindung: | 10 Jahre | 5 Jahre |
Sollzins: | 3,85% | 3,74% |
Tilgung p.a.: | 2,00% | 2,11% |
Monatliche Rate: | 1.950 Euro | 1.950 Euro |
Restschuld bei Ablauf Zinsbindung: | 302.605 Euro | 353.677 Euro |
Grenzins: | 4,00% |
Ergebnis: die 5jährige Zinsbindung wäre die erste Wahl, wenn Sie davon ausgehen, dass die Zinsen in 5 Jahren unter 4% p.a. liegen. Bei einem Anschlusszinsstz von 4% und gleichbleibender Rate käme man bei der Variante mit 5 Jahren Zinsbindung dann nach insgesamt 10 Jahren auf die gleiche Restschuld wie bei der 10jährigen Variante.
Entscheidet man sich für die 5jährige Variante und stellt in z.B. 2 Jahren fest, dass die Zinsen eher steigen als sinken, kann man sich mit einem sog. Forwarddarlehen absichern.
Praktisches Beispiel 2: 25 Jahre Zinsbindung ./. 5 Jahre Zinsbindung
Hinweis: wenn man Finanzierungsvarianten hinsichtlich der Kosten vergleicht, sollte man beispielsweise mit einer identischen Ratenbelastung rechnen. Ansonsten vergleicht man Äpfel mit Birnen!
Darlehensbedarf 400.000 Euro
Zinsbindung: | 25 Jahre | 5 Jahre |
Sollzins: | 4,38% | 3,74% |
Tilgung: | 2,00% | 2,64% |
Monatliche Rate: | 2.127 Euro | 2.127 Euro |
Restschuld am Ende der Zinsbindung: | 37.766 Euro | 342.039 Euro |
Grenzzins: | 4,81% |
Ergebnis: die 5jährige Zinsbindung wäre die erste Wahl, wenn Sie davon ausgehen, dass die Zinsen in 5 Jahren unter 4,81% p.a. liegen. Bei einem Anschlusszinsstz von 4,81% und gleichbleibender Rate käme man bei der Variante mit 5 Jahren Zinsbindung dann nach insgesamt 25 Jahren auf die gleiche Restschuld wie bei der 10jährigen Variante.
Entscheidet man sich für die 5jährige Variante und stellt in z.B. 2 Jahren fest, dass die Zinsen eher steigen als sinken, kann man sich mit einem sog. Forwarddarlehen absichern.
Ihr
Olaf Varlemann