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Wird die Zahl der Zwangsversteigerungen durch Corona steigen?

11.04.2020: angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie fragen sich viele, ob in Deutschland demnächst die Zahl der Zwangsversteigerungen erkennbar zunehmen wird. Wer dabei auf ein kurzfristiges Schnäppchen hofft, solte sich nicht zu früh freuen. Bis es tatsächlich zu einem Anstieg bei den Zwansgversteigerungen kommt, ist es noch ein weiter Weg.

Die Anzahl der Zwansgversteigerungstermine war 2019 auf einem absoluten Tiefststand. im vergangenen Jahr kamen bundesweit rund 18.000 Immobilien "unter dem Hammer". Viele Experten rechnen aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Corona-Krise für das 2020 mit einem deutlichen Anstieg. Einige dieser Experten malen hier wahre Horrorszenarien ("Eine große Welle von Zwangsversteigerungen wird über Deutschland schwappen!"), andere sehen das etwas entspannter. Ich gehöre zu denen, die es -trotz einiger dunklen Wolken am Himmel- etwas entspannter sehen.

Zwangsversteigerung: das kann dauern!

Bei dem Thema sollte man erst einmal daran denken, dass es ein weiter Weg bis zum Zwangsversteigerungstermin ist. Banken haben in der Regel kein besonderes Interesse daran, dass von Ihnen finanzierte Immobilien zwangsversteigert werden. Zu einem ist es ungewiss, ob der Erlös bei einer Versteigerung ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten komplett zu tilgen, zum anderen kann eine Zwangsversteigerung schnell für schlechte Presse sorgen. Nein, Zwangsversteigerungen machen Banken keinen Spass und so unternehmen sie in der Regel alles mögliche, um die Zwangsversteigerung zu verhindern. Das letzte Mittel ist dabei im übrigen der sog. freihändige Verkauf, der allerdings häufig an der Sturheit der Betroffenenen scheitert. Erst wenn alle Mittel ausgeschöpft bzw. erfolglos waren, kommt es tatsächlich zum Versteigerungstermin. Und das kann durchaus mehrere Monate dauern.

Besonders Selbständige sind betroffen!

Selbständige leiden gerade besonders unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise. Bei vielen Freiberuflern und Gewerbetreibenden hat der sog. Lock-Down dafür gesorgt, dass sie aktuell und auch in den kommenden Monaten keine bzw. wenig Einnahmen mehr haben. Dabei haben viele der sog. "Soloselbständigen" kaum Rücklagen für Notfälle. Etwas Luft verschaffen noch Zuschüsse vom Bund und/oder den Bundesländern. Aber diese Zuschüsse sind zeitlich und in der Höhe begrenzt. Bei vielen Selbständigen werden diese nicht reichen, um die laufenden Kosten zu tragen. Weitere Luft verschafft die Möglichkeit, die Zins- und Tilgungsraten für laufende Darlehen für 3 Monate auszusetzen. Aber auch das ist zeitlich begrenzt. Ob diese Maßnahmen ausreichen, hängt davon ab, wie lange der sog. Lock-Down bestehen bleibt und wie schnell Selbständige wieder Einnahmen generieren können.

Im schlimmsten Fall werden wir in den kommenden Monaten bei Selbständigen viele Insolvenzen zu verzeichnen haben. Wenn Selbständige über Immobilienvermögen verfügen, wird ein(e) Insolvenzverwalter(in) alles daran setzen, dieses Immobilienvermögen ggf. schnellst "zu Geld zu machen", um damit bestehende Verbindlichkeiten abzulösen. Dazu werden die Imobilien allerdings nicht zwangsversteigert, sondern in der Regel am freien Markt verkauft. Wer darauf spekuliert, dass eine solche "Pleitewelle" automatisch und kurzfristig zu mehr Zwansgversteigerungen führt, irrt.

Es gibt viele Selbständige, die in Immobilien investiert haben, um damit ihre Altersversorgung zu regeln. Das geht von der kleinen vermieteten Eigentumswohnung bis hin zum kompletten Mehrfamilienhaus. Einige Selbständige, die durch Corona in Schwierigkeiten gekommen sind, werden diese Immobilien jetzt ggf. von sich aus verkaufen, um so Liquidität zu bekommen oder sich von einem Kostenblock zu trennen. Ob da jetzt eine spürbare Verkaufswelle auf uns zukommt, können wir nur abwarten.

Kurzarbeit allein führt noch nicht zur Zwangsversteigerung!

Viele Arbeitnehmer befinden sich derzeit in Kurzarbeit. Um den damit einhergehenden Einkommensverlust ein wenig abzufedern, können Betroffene die Zins- und Tilgungsraten zumindest für die kommenden Monate ausetzen. Im optimalen Fall endet die Kurzarbeit in absehbarer Zeit und alles läuft wie bislang gewohnt. Problematisch wird es für all die werden, die bei Unternehmen angestellt sind, denen Corona wirtschaftlich das Genick bricht. Hier dürfte es insbesondere auf die Hotel- und Gastronomiebranche besonders treffen. Aber bislang auch vermeintlich krisenfeste Unternehmen dürfte es noch hart treffen (z.B. die Automobilindustrie und die Luftfahrtbranche). In Regionen, die stark von einem Unternehmen und der dazugehörigen Lieferindustrie abhängen, kann es auf Dauer tatsächlich eng werden.

Sollte beispielsweise Volkswagen Personal am Stammsitz in Wolfsburg abbauen oder die Gehälter reduzieren (allein durch wegfall von Zulagen), kann das durchaus dazu führen, dass in diesen Regionen mehr Immobilien auf den Markt kommen. Eigentümer, die sich ihre Immobilie plötzlich nicht mehr leisten können, werden diese zunächst erst einmal selbst verkaufen wollen. Fraglich ist, wie es dann bei der Nachfrage aussieht, die ja wahrscheinlich auch einbrechen wird. Zumindest wird es in solchen Regionen wohl zu einem Preisrückgang kommen. Wenn es nichts mit dem freihändigen Verkauf wird (weil z.B. nicht der Preis erzielt werden kann, um die Darlehensverpflichtungen zu tilgen), dürfte tatsächlich irgendwann auch die Zahl der Zwangsversteigerungen steigen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Was für Volkswagen und Wolfsburg gilt, kann man auch auf andere Regionen übertragen, die von bestimmten Industrie- bzw. Wirtschaftszweigen abhängig sind. So könnte es beispielsweise auch zu einem deutlichen Preisrückgang bei Ferienimmobilien an Nord- und Ostsee kommen. Die kleinen Ferienhausvermieter(innen) spüren die fehlenden Vermietungsgäste schon jetzt sehr deutlich in der Kasse.

Ob es zu einem spürbaren Anstieg bei den Zwangsversteigerungen kommen wird, wird vor allem davon abhängen, wie schnell und nachhaltig wir die wirtschaftlichen Folgen von Corona überwinden. Das wird sich erst in den Monaten nach Ende des Lock-Down zeigen und dann ist es noch ein weiter Weg bis es tatsächlich zu Zwangsversteigerungen kommen wird. Wer hier kurzfristg auf Schnäppchen setzt, dürfte enttäuscht werden.

Ihr

Olaf Varlemann

Inhaber von baufi-nord.de

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